Die Wahrheit ist eine Lüge, die man glaubt, bis man es besser weiß.

Schwarzer Uhu
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Heilt die Zeit alle Wunden?

Vorurteile sind zäh. Das betrifft einzelne Menschen genauso wie Völker. Vorurteile machen es uns aber auch leichter. In dem Bestreben, uns in unserer Umwelt zurechtzufinden, verschaffen sie uns eine Art Ordnung. Wir wissen aus Erfahrung oder glauben vom Hörensagen zu wissen, wie jemand ist, der so oder so aussieht, sich so oder so verhält und können uns dann darauf einstellen. Wenn wir z.B. in ein anderes Land fahren, geben uns unsere Vorurteile Hinweise mit, wie wir gut ankommen würden, womit wir in ein Fettnäpfchen treten könnten, worauf wir Fußballaufpassen müssen. Vorurteile sind aber manchmal ganz schön ungerecht. Menschen können sich schließlich ändern, Völker auch, oder? Wegen zweier Weltkriege verspielten die Deutschen im letzten Jahrhundert die Sympathien der Welt. Ob das immer noch so ist?

Es ist wahr, Deutschland hatte im letzten Jahrhundert zwei verheerende Weltkriege zu verantworten. Den guten Ruf, den es sich im 19. Jahrhundert in der Weltgemeinschaft erarbeitet hatte - durch allerhand Erfindungen und Entdeckungen auf wissenschaftlich-technischem Gebiet - verlor es dadurch gründlich. Im Gedächtnis der Völker waren die Deutschen seither nur mit Vorsicht zu genießen. Nach wie vor hielt man uns für arbeitsam, so sagte man, gründlich, ordentlich und pünktlich. (Sicherlich kennt aber jeder Deutsche mindestens 3 Landsleute, auf die das nicht zutrifft, aber die Deutschen regen sich darüber auf, wenn jemand nicht so ist. Andere Völker gehen vermutlich gelassener damit um. Das ist vielleicht schon der ganze Unterschied?!). Aber auch eine gewisse Strenge, Kühle und Humorlosigkeit, sagte man uns nach. Und wer kann so jemanden schon leiden?

Mit einer Mischung aus Bewunderung und Abneigung konnten die Nachbarn der Deutschen beobachten, wie sich der ehemalige Kriegsgegner nach 1945 allmählich wieder aufrappelte und zusehens an wirtschaftlicher Stärke gewann - zumindest im damaligen Westdeutschland. Auch politisch fügte sich das neue Deutschland, sowohl sein westlicher wie auch sein östlicher Teil, in die Weltgemeinschaft als geachtetes Mitglied ein. Von Deutschland ging keine Gefahr mehr aus, es war sowohl im östlichen wie im westlichen Lager ein Verbündeter, offiziell ein Freund - der USA bzw. der UdSSR und das ist es auch nach der Wiedervereinigung von 1990 geblieben, doch - so richtig leiden können uns die anderen Nationen nicht. Das konnte man oft hören und lesen!

Umso erstaunlicher sind die Ergebnisse einer neuen Umfrage. Nach einer Befragung desein Deutscher US-Forschungsinstitutes "Pew Research" haben die Menschen in 13 von 16 Ländern mehrheitlich eine gute Meinung von den Deutschen. Die höchste Zuneigung erreichen die Deutschen in Frankreich mit 89 Prozent. Es folgen erstaunlicherweise die Niederländer, denen man immer ein gespaltenes Verhältnis zum großen Nachbarn nachsagte, mit 88 Prozent. In Russland waren es auch erstaunliche 79 Prozent, in Spanien und Kanada jeweils 77 Prozent; in Großbritannien immerhin noch 75 Prozent. Überraschend waren sowohl die Ergebnisse in den USA, wo nur etwa 60 Prozent die Deutschen mögen (aber auch das ist eine Mehrheit), und in Deutschland selbst. 43 Prozent der Bundesbürger glaubten der Umfrage zufolge nämlich, dass sie in der Welt unbeliebt seien. Ich meine, das ist mit am schlimmsten: Wenn man irgendwann überzeugt ist, tatsächlich so zu sein, wie andere einem nachsagen (jedenfalls, wenn es nichts Nettes ist). Wenn Sie bisher dazu gehörten, dann sehen Sie jetzt, es ist gar nicht nötig! Es hat sich etwas getan in den letzten Jahrzehnten. Man schaut im Ausland nicht mehr nur zurück auf das, was einmal war - man schaut auch auf das, was sich geändert hat. Es scheint als habe die Zeit tatsächlich alte Wunden bereits ein wenig geheilt.

Jens-Robert Schulz

(nach einer AFP-Meldung vom 24.06.2005)
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